1. Keine Vorlage und Offenlegung der Reparaturrechnung bei fiktiver Abrechnung

In seiner jüngsten Entscheidung hat der BGH, Urteil vom 28.01.2025, AZ: VI ZR 300/24 seine bisherige Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 17.09.2019, AZ: VI ZR 396/18) noch einmal bestätigt und klargestellt, dass der Geschädigte, der die fiktive Abrechnung auf Gutachtenbasis wählt trotz durchgeführter Reparatur nicht gehalten ist, die Reparaturrechnung vor- bzw. offenzulegen.

 

Hintergrund der Entscheidung

Der Geschädigte wollte den Schaden auf Grundlage deutscher Kosten fiktiv abrechnen, hat sein Fahrzeug jedoch zu günstigeren Konditionen in seinem Heimatland (Türkei) reparieren lassen. Die Rechnung dafür hat er nicht vorgelegt 

 

Leitsatz der Entscheidung des BGH

Bei fiktiver Schadensabrechnung ist der objektive zur Herstellung erforderliche Betrag (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB) ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen (BGH, Urteil vom 28.01.2025, AZ: VI ZR 300/24).

 

Empfehlung / praktische Umsetzung

Viele Versicherer haben in der Vergangenheit die Vorlage der Reparaturrechnung gefordert, wenn der Geschädigte vorgetragen hat, dass er sein Fahrzeug reparieren ließ und eingewandt, dass der Geschädigte dann nicht mehr auf Gutachtenbasis abrechnen kann. Mit dieser Entscheidung hat der BGH die Rechte des Geschädigten erneut gestärkt. Mit der aktuellen Entscheidung ist nun geklärt, dass der Geschädigte nicht zur Vorlage / Offenlegung der Reparaturrechnung verpflichtet ist.

 

2. Verzögerte Reparatur - Auswirkungen von Fachkräftemangel und Lieferschwierigkeiten

Fachkräftemangel, Lieferschwierigkeiten sind heute an der Tagesordnung und schlagen auch bei den Reparaturwerkstätten durch. Reparaturdauer von teilweise mehreren Wochen sind oft keine Seltenheit mehr. Es stellt sich insofern die Frage, wer in einer solchen Situation welche Pflichten hat und ob der Versicherer die Werkstatt wegen Verzögerungen in Regress nehmen kann?

 

  • Zunächst steht außer Zweifel, dass dem Geschädigten während der Dauer der Reparatur ein Nutzungsausfallschaden oder unter Umständen die Nutzung eines Mietwagens zusteht, insbesondere, wenn das verunfallte Fahrzeug nicht mehr fahrfähig und verkehrssicher ist. 
  • Allerdings ist der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungsplicht auch gehalten, für eine zügige / schnelle Reparatur zu sorgen, zumal dann, wenn er neben den Reparaturkosten auch einen Nutzungsausfallschaden geltend machen will. 

 

Grundsatz

Grundsätzlich ist es Sache des Schädigers bzw. dessen Haftpflichtversicherer die Schadensbeseitigung zu finanzieren. Der Geschädigte ist nicht zur Vorleistung verpflichtet (BGH, Urteil vom 18.02.2020, AZ: VI ZR 115/19).

 

Ausnahme

Nur bei finanziell sehr wohlhabenden Geschädigten kann eine Vorleistungspflicht verlangt werden. Dies ist aber stets im Einzelfall zu prüfen.

 

Empfehlung für die Werkstatt

Um selbst auf der sicheren Seite zu sein und sich vor etwaigen Rückgriffsforderungen / Regressen der Versicherer zu schützen sollte die Werkstatt den Kunden hinsichtlich einer möglicherweise längeren Reparaturdauer aufklären und auf Lieferverzögerungen, Ausfallzeiten von Personal wegen Krankheit, Urlaub etc. hinweisen. Hat der Geschädigte den Aufklärungshinweis zu einer möglichen Reparaturverzögerung erhalten und sich dennoch für die Reparatur in der Werkstatt entschieden, scheidet ein Anspruch des Kunden gegenüber der Werkstatt und dem folgend auch der Versicherung gegen die Werkstatt aus, da der Kunde ja aufgeklärt wurde. Weil der Kunden keinen Anspruch auf Erstattung des höheren Ausfallschadens hat, hat ihn auch der Versicherer nicht.